Physik macht Spaß, wenn man weiß, wofür sie gut ist

Ferienkurs im Museum am Schölerberg

„Guckt mal, es brennt“, ruft Fatima begeistert und zeigt ihr Werk, auf dem ein grünes LED-Lämpchen leuchtet, stolz in die Runde. Auf einer Platte hat die Fünftklässlerin Kondensator, Transistor, Drähte und einen Widerstand festgelötet. Zum Schluss kam die Batterie – nun ist Fatima das erste der Kinder des Diesterweg-Stipendiums, das den selbstgebauten Schaltkreis geschlossen hat. Das leuchtende Lämpchen zeigt ihren Erfolg. „Ich find‘s toll zu sehen, wie das so funktioniert, wenn man im Zimmer Licht anmacht“, sagt Jan, der auf dem Platz neben Fatima weiterlötet.

„Physik macht Spaß, wenn man weiß, wofür sie gut ist“, sagt Andrea Hein. Die Umweltpädagogin des Museums am Schölerberg leitet mit der Museumspädagogin Irene Steiner den Kurs „Forschen – Staunen – Entdecken“. In ihm nehmen neun Kinder des Diesterweg-Stipendiums fünf Tage lang Naturphänomene unter die Lupe. Dabei forschen die Schülerinnen und Schüler nicht nur im Haus, sie gehen auch raus und gucken, wie sich beispielsweise die Abdrücke von Hund und Wolf unterscheiden. Immerhin ist das Wildtier ja wieder nach Deutschland zurückgekehrt. „In der Schule sind die Naturwissenschaften in Biologie, Physik, Chemie getrennt. Wir denken sie zusammen“, erläutert Andrea Hein.

Gemeinsam haben die Kinder zu Beginn festgelegt, womit sie sich befassen möchten. In Teams erarbeiten sie ihre Fragen. „Wir möchten den Kindern Lust darauf machen, selbst nach Antworten zu suchen“, sagt Katharina Liebing. Die Mitarbeiterin des Fachdienstes Bildung der Stadt Osnabrück koordiniert und begleitet das Diesterweg-Stipendium, das seit November 2015 von der Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung in Osnabrück gefördert wird. „Es richtet sich an Kinder mit besonderem Potenzial, das sie aber nicht voll ausschöpfen können“, erläutert Michael Prior, der Geschäftsführer der Bohnenkamp-Stiftung. Das Stipendium soll den Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule erleichtern. Grundschullehrer haben die Kinder vorgeschlagen. In persönlichen Gesprächen mit der ganzen Familie wurden dann die Kinder ausgewählt, die zwei Jahre lang unterstützt werden. Dazu gehören der persönliche Kontakt zur ganzen Familie und individuelle Beratung ebenso wie Akademietage, Exkursionen und eben Ferienkurse. Dabei kommt es auf das Lernen und Erleben an – und nicht darauf, alles bereits richtig machen zu können. Das zeigt sich, als es im Kursraum plötzlich anfängt nach schmelzendem Kunststoff zu stinken. Ein Teilnehmer hat versehentlich seinen Lötkolben auf ein Kabel gelegt. Irene Steiner hebt sofort den Kopf, macht den Grund des Gestanks ausfindig und legt den Kolben schnell zur Seite. Nach einer kurzen Schrecksekunde machen sich alle wieder an die Forschung.

Nach einem guten Jahr seien die Kinder richtig zusammen gewachsen. Manche haben sich angefreundet. „Sie unterstützen sich gegenseitig“, erläutert Katharina Liebing. Und auch die Eltern tauschen sich nicht nur während der Angebote des Stipendienprogramms aus, sondern auch bei privaten Treffen. „Sie wissen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind und dass es anderen genau so geht wie ihnen“, sagt Liebing, die die Eltern vertraut macht mit dem deutschen Schulsystem und ihnen aufzeigt, welche Möglichkeiten ihre Kinder haben. Denn nur so können die Kleinen nach der Grundschule auf die Schulform gehen, die zu ihren individuellen Möglichkeiten passt. Auch die jüngeren Geschwister profitieren später davon. Dies zeigen die Beobachtungen aus den Städten, in denen das Diesterweg-Stipendium seit einigen Jahren angeboten wird, wie Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Darmstadt und Duisburg. Das erste Familien-Bildungsstipendium Deutschlands wurde 2008 von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt am Main entwickelt. Im Jahr 2015 holte die Bohnenkamp-Stiftung die Idee nach Osnabrück.

Während des Kurses führen die Teilnehmerkinder ein Forschertagebuch. Am letzten Tag präsentieren sie die Ergebnisse ihren Eltern, Geschwistern und Freunden. Die Förderung durch das Diesterweg-Stipendium endet für den laufenden Durchgang im Herbst 2017 mit dem Abschluss der fünften Klasse. „Dann können wir sicher sein, dass die Kinder gut in ihrer neuen Schule angekommen sind“, ergänzt Liebing. Derzeit beginnen Stadt und Stiftung damit, ein erstes Resümee zu ziehen. Denn geplant ist, das Stipendium im Herbst kommenden Jahres mit neuen Familien in die zweite Runde gehen zu lassen.

 

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